„Die Welle“ - nie wieder?

Abhandlung über den Roman „Die Welle“, bei dem mich einige Textstellen besonders interessiert haben...(Zitate in Normalschrift; meine Kommentare fett geschrieben).

Das Thema der Stunde war der Zweite Weltkrieg, und der Film, den Ben Ross an jemen Tag vorführte, berichtete von den Grausamkeiten, die Nazis in den Konzentrationslagern verübt hatten […]. Ben hatte diesen Film oder ähnliche Filme schon häufiger gesehen. Doch der Anblick so rücksichtsloser, unmenschlicher Grausamkeiten machte ihn immer noch betroffen und zornig (17).

In sogenannten Veredelungsbetrieben gedeihen ähnliche Grausamkeiten weiterhin.

Wie war es nur möglich, dass ein Mensch einen anderen Menschen zu einer solchen Arbeit zwang (18)?

Wie ist es nur möglich, dass ein Mensch andere Erdlinge so schamlos ausbeutet und sich dabei noch im Recht fühlt?

Ben schwieg einen Augenblick, ehe er hinzufügte: 'Die Lebenserwartung der Gefangenen in den Lagern betrug zweihundertsiebzig Tage. Viele überlebten noch nicht einmal eine Woche (18).

Nutztiere sind Gefangene. Egal ob Bio oder konventionell. Sie dürfen sich nicht frei bewegen und werden früher oder später umgebracht. Masthühner haben nach wenigen Wochen ihr Schlachtgewicht erreicht und werden getötet. Männliche Eintagsküken der Zuchtlinie mit hoher Legeleistung werden am ersten Tag ihres Lebens vergast.

Auf der Leinwand sah man jetzt die Gebäude, in denen die Öfen standen. Ben dachte daran, die Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass der Rauch, der aus den Schornsteinen aufstieg, das Verbrennen von Menschenfleisch anzeigte. Er tat es nicht. Es war auch so ein schreckliches Erlebnis, diesen Film anzuschauen. Nur gut, dass man noch keine Möglichkeit erfunden hatte, auch Gerüche im Film wiederzugeben; das Übelste musste der Gestank sein, der Gestank der niederträchtigsten Tag in der Geschichte der Menschheit (18-19).

Der Gestank der niederträchtigsten Tat in der Geschichte der Menschheit weht Tag für Tag durch die Straßen. Nicht vor 60 Jahren. Jetzt. Was ist niederträchtiger? 10 Millionen Individuen oder 56 Milliarden Individuen töten?

Der Film endete, und Ben erklärte seinen Schülern: 'Insgesamt haben die Nazis über zehn Millionen Männer, Frauen und Kinder in ihren Vernichtungslagern umgebracht (19).'

Menschen bringen pro Jahr 56 Milliarden nichtmenschlicher Tiere (wo es natürlich auch Männer, Frauen und Kinder gibt) in Vernichtungslagern, so genannten Schlachthöfen, um.

[…] Laurie stocherte nur auf ihrem Teller herum. Sie schien nachdenklich zu sein.
'Was ist?', fragte David.
'Dieser Film', antwortete Laurie, 'der beschäftigt mich wirklich. Dich nicht?'
David dachte einen Augenblick nach, ehe er antwortete: 'Doch, ja, als etwas Entsetzliches, das einmal in der Vergangenheit geschehen ist, beschäftigt er mich schon. Aber das ist lange her, Laurie. Für mich ist das einfach Geschichte. Was damals geschehen ist, kann man heute nicht mehr ändern.'
'Aber man darf es auch nicht vergessen', meine Laurie. Sie nahm einen Bissen von ihrem Hamburger, verzog das Gesicht und hörte auf zu essen (28)

Laurie mahnt davor, diesen Massenmord zu vergessen und isst zugleich Leichenteile. Satire pur.

'Vergiss es! Es ist einmal geschehen, [sic] und die Welt hat daraus gelernt. Es wird nie wieder geschehen.'
'Hoffentlich', antwortete Laurie […] (32).

Es passiert jetzt. Die Hoffnung liegt bei dir und vielen anderen, die sich für eine friedliche Lebensweise entscheiden.

'Ihr habt euch für etwas Besonderes gehalten!', erklärte ihnen Ross. 'Ihr kamt euch besser vor als alle anderen […]. Ihr habt eure Freiheit gegen das verschachert, was man euch als Gleichheit vorgesetzt hat. Aber ihr habt die Gleichheit in Vorherrschaft über die Nicht-Mitglieder verwandelt. […] Ja, ja, ihr wärt alle gute Nazis gewesen (175-176).'

Die meisten Menschen fühlen sich anderen Tieren intellektuell überlegen und rechtfertigen damit ihre Ausbeutung. Das Besondere an uns Menschen sind tatsächlich unsere herrausragenden kognitiven Fähigkeiten. Doch wie sollte das Gewalt an anderen Tieren rechtfertigen? Eher ist es doch so: Gerade weil wir so tolle Denker_innen sind, sollten wir erkennen, das ein Schwein genauso gerne lebt wie ein Mensch. Traurige Realität: Die Spezies Mensch herrscht über alle anderen Spezies durch eine unangefochtene Gewaltherrschaft. Was die Nazis gemacht haben, war schrecklich. Was wir Menschen anderen Tieren antun, ist jedoch um ein Vielfaches qualvoller und permanenter. Menschen können sich wehren und verbünden. Hühner, Schweine, Kühe, usw. nicht.

Die Welt wir nicht bedroht von Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“ - Albert Einstein

Rhue, Morton 1981: Die Welle, New York.

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